Offener Brief der Bürgerinitiativen und Vereine zu Berliner Koalitionsverhandlungen im November 2016 zum BER


Berlin/Brandenburg 22.11.2016
 

BI Berlin-Südwest gegen Fluglärm (vormals Lichterfelde gegen Fluglärm)
BI Lichtenrade/Mahlow-Nord gegen Fluglärm e.V.
Friedrichshagener Bürgerinitiative, Bürgerverein Friedrichshagen e.V.
Bürgerverein Wilhelmshagen-Rahnsdorf e.V.
Aktionsbündnis für ein lebenswertes Berlin-Brandenburg (ABB)
Bürgerverein Brandenburg-Berlin e.V. (BVBB)
Bündnis Südost gegen Fluglärm (BüSo)
BI Teltow gegen Fluglärm e.V.
BI Kleinmachnow gegen Flugrouten e.V.
BI Unser Großbeeren e.V.
BI Müggelheim e.V.
BI Gosener Wiesen
BI Mahlower Schriftstellerviertel e.V.
Verein zur Förderung der Umweltverträglichkeit des Verkehrs (VUV)



An
Frau Ramona Pop (MdA, Bündnis 90/Die Grünen)
Herrn Dr. Klaus Lederer (MdA, Die Linke)
den Berliner Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen
den Berliner Landesvorstand der Partei Die Linke


Sehr geehrte Frau Pop, sehr geehrter Herr Dr. Lederer, sehr geehrte Damen und Herren der Landesvorstände,


in der Koalitionsvereinbarung „Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen“ zwischen den Berliner Landesverbänden von SPD, Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen für die Legislaturperiode 2016-2021 heißt es auf Seite 45


"Für die Koalition ist es im Interesse der Menschen im BER-Einzugsgebiet und der Akzeptanz des Flughafens ein wichtiges Ziel, mehr Nachtruhe zu erreichen. Dazu wird das Land Berlin Gespräche mit den anderen Gesellschaftern aufnehmen. Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung von An- und Abflugverfahren zur Reduzierung von Fluglärm, z.B. das DROps-Verfahren (Dedicated Runway Operations), das heißt Nutzung nur einer Start- und Landebahn zu bestimmten Tagesrandzeiten, sofern es der Flugbetrieb zulässt. Zu diesem Maßnahmenpaket gehört auch eine geeignete Gestaltung der Start- und Landegebühren." und "Die Koalition lehnt eine dritte Start- und Landebahn ab."

 
Wir, Bürgerinitiativen aus Berlin und Brandenburg im BER Einzugsgebiet, begrüßen es, dass Berlin mit dem Land Brandenburg und dem Bund Gespräche führen will, in der Nacht mehr Schutz vor Fluglärm für die Betroffenen zu erreichen. Wir sehen dies als Fortschritt gegenüber der rigiden Politik des Berliner Senats während der letzten Legislaturperiode an, der die Verhandlungen mit Brandenburg über ein Nachtflugverbot stets abgeblockt hatte.


Auch die Ablehnung einer dritten Start/Landebahn am BER durch die rot-rot-grüne Koalition ist zu begrüßen. Bezüglich eines Nachtflugverbotes und damit eines wirkungsvollen Schutzes vor nächtlichem Fluglärm enttäuschen jedoch die vorliegende Koalitionsvereinbarung und kürzlich von Frau Pop und Herrn Lederer gemachte Äußerungen.
Herr Lederer spricht davon, dass zwischen 5:00 und 6:00 Uhr kein Flugverkehr stattfinden sollte. Dies würde die Wirtschaftlichkeit des BER nicht beeinträchtigen, da in dieser Zeit sowieso kaum Flugbewegungen stattfinden. Herr Lederer greift damit einen früheren Vorschlag des Brandenburgischen Ministerpräsidenten Woidke auf. Der Brandenburger Landtag hatte seinerzeit (27.2.2013) die Forderung des erfolgreichen Brandenburger Volksbegehrens für ein Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr übernommen, sich gegenüber dem Berliner Senat hiermit in der Vergangenheit jedoch nicht durchsetzen können und letztlich stattdessen ein Flugverbot zwischen 5:00 und 6:00 Uhr vorgeschlagen. Verglichen mit der Aussage im Wahlprogramm der Linken


"Wir setzen uns gegenüber den Gesellschaftern der Flughafengesellschaft für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr ein. Unabhängig davon wollen wir jede Möglichkeit zur Minderung der Lärmbelastung durch den Flughafen nutzen." (Seite 30/31 Wahlprogramm 2016 der Linken, S. 30-31)


ist die eine Stunde am Morgen, in der der Flugverkehr sowieso gering ist, dürftig und wird die Akzeptanz des Flughafens im BER Einzugsgebiet nicht erhöhen. Und die immensen, auch durch Missmanagement gestiegenen Kosten des BER gegen mögliche Einkommensverluste der FBB bei einem Nachtflugverbot aufzuwiegen, ist unglaubwürdig und ein vorgeschobenes Argument.
Bündnis 90/Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm 2016 vollmundig erklärt:
„Berlin braucht ein Nachtflugverbot. Zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr muss Ruhe sein!“ (S. 22) und „Wir sorgen für ihre Entlastung, indem wir .... das Nachtflugverbot zwischen 22:00 und 6:00 Uhr ohne Einschränkungen durchsetzen.“ (S.61).


Nun sprechen der Koalitionsvertrag und Frau Ramona Pop von einer 7-stündigen Lärmpause in der Nacht, die durch Regelungen für die Nutzung der Start/Landebahnen zu bestimmten Zeiten erreicht werden soll. Dies klingt erst einmal gut, ist es aber nicht. DROps Verfahren zur Erzeugung von Lärmpausen für einen Teil der Betroffenen sind nichts Neues. Ein Flughafen-spezifisches Lärmpausenmodell, das auf einem DROps Verfahren beruht, wurde in Frankfurt für die Nachtrandstunden 22-23 Uhr und 5-6 Uhr entwickelt und ist seit Mai 2016 dort in den Regelbetrieb überführt worden. Seit einiger Zeit werden in der Arbeitsgruppe „BER-Betriebskonzept“ DROps Modelle diskutiert, in der auch Mitglieder der Fluglärmkommission Schönefeld mitarbeiten. Im Gegensatz zu einem strikten Nachtflugverbot, das allen Betroffenen zugutekommt, ändern DROps Verfahren lediglich die zeitliche und örtliche Verteilung des Lärms, dabei gibt es immer Gewinner und Verlierer. Im einfachsten Fall würden am BER z. B. in einer Woche in der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr alle Flugbewegungen auf der Südbahn abgewickelt. Dann genießen diejenigen Berliner Bezirke und Brandenburger Gemeinden, die vorwiegend durch Flugverkehr von der Nordbahn belastet werden, eine 7-stündige Lärmpause. Anwohner, die vor allem unter dem Flugverkehr von der Südbahn zu leiden haben, werden natürlich doppelt belastet, nämlich durch den gesamten BER-Flugverkehr während der Nacht. In der folgenden Woche kehren sich die Verhältnisse dann um und die Berliner Bezirke haben unter dem Fluglärm des gesamten Flugverkehrs zu leiden, der von der Nordbahn abgewickelt wird. Auch wenn andere, maßgeschneiderte DROps Modelle, abhängig von der jeweiligen Betriebsrichtung (Windrichtung) denkbar sind, ist stets mit der Entlastung eines Teils der Anwohner eine zusätzliche Belastung eines anderen Teils der Anwohner verbunden. Hierbei hat es die Deutsche Flugsicherung DFS für den BER bisher immer abgelehnt, das DROps Verfahren bereits ab 22 Uhr anzuwenden, da das hohe Aufkommen an Flugbewegungen zwischen 22 und 23 Uhr dieses Verfahren am BER nicht zulasse. Dies ist in Übereinstimmung mit der 7-stündigen (23 – 6 Uhr) Lärmpause, die in der Koalitionsvereinbarung erwähnt wird und die Frau Pop so anpreist.


Natürlich kann eine Partei ihr Wahlprogramm in einer Koalition nicht vollständig umsetzen, aber ein DROps Verfahren von 23 - 6 Uhr anstelle eines strikten Nachtflugverbots von 22 - 6 Uhr zu verkaufen, ist ein Etikettenschwindel. Und Bürger, d.h. Wähler, hinter das Licht zu führen, ist weder solidarisch noch nachhaltig.


Die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen des Berliner Abgeordnetenhauses hatte seinerzeit (Mitte der neunziger Jahre) Schönefeld als Standort für den neuen Flughafen priorisiert. Heute wird allgemein die Entscheidung für Schönefeld als Fehlentscheidung angesehen, da der Flughafen in einem dicht besiedelten Gebiet direkt an der Berliner Stadtgrenze liegt und der stark gestiegene Flugverkehr zu erheblichen Lärmbelastungen der Region führt. Aufgrund seiner Lage müssen Einschränkungen hinsichtlich des Betriebes hingenommen werden entsprechend einem strikten Nachtflugverbot von 22-6 Uhr. Der BER kann eben nicht nach Verkehrskonzepten betrieben werden, wie es an anderer Stelle in einem dünn besiedelten Gebiet möglich gewesen wäre.
Nach Abschluss der Koalitionsvereinbarung hatten Frau Pop und Herr Lederer erklärt, von einem rechtlichen Eingriff in den Planfeststellungsbeschluss abzusehen. Ohne eine Änderung aber hätten die Airlines Anspruch nachts am BER zu fliegen, auch wenn sich die Anteilseigner auf ein Nachtflugverbot einigten. In der Tat, entscheidend ist der politische Wille, eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses herbeizuführen. Der juristische Weg wurde bereits 2012 in den Berliner und Brandenburger Volksbegehren für ein striktes Nachtflugverbot aufgezeigt. Berlin und Brandenburg müssen sich einigen, den § 19 Abs. 11 des Landesentwicklungsprogramms (LePro) zu ändern und dort ein landesplanerisches Nachtflugverbot verankern. Danach kann die Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde im existierenden Planfeststellungsbeschluss dem geänderten § 19 Abs. 11 LePro Rechnung tragen und gemäß dem Änderungsvorbehalt des Planfeststellungsbeschlusses ein Nachtflugverbot erlassen. Geschieht diese Änderung rechtzeitig vor Eröffnung des BER, können auch Schadensersatzansprüche von Fluggesellschaften abgewehrt werden. 


Darüber hinaus kann die Planfeststellungsbehörde auch aufgrund der eingetretenen Belastungen im Rahmen der Südbahneröffnung und der neu bewerteten gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm (NORAH-Studie etc.) jederzeit den Planfeststellungsbeschluss ändern und ein Nachtflugverbot für BER erlassen.

Eine Erhöhung der Start/Landegebühren in der Nacht (22 - 6 Uhr) kann möglicherweise dazu beitragen, den Flugverkehr in dieser Zeit etwas zu reduzieren, verhindern kann diese Maßnahme den nächtlichen Flugverkehr dagegen nicht. Dazu müssten die Gebühren so hoch angesetzt werden, dass planmäßige Flüge, die einen Start oder eine Landung in der Zeit von 22:00 - 23:30 Uhr und 5:00 - 6:00 Uhr erforderlich machen, sich für die Fluggesellschaften nicht mehr lohnen würden. Ob dies rechtlich möglich ist, ist zumindest zweifelhaft.


Die Koalitionsvereinbarung schreibt hinsichtlich eines Nachtflugverbotes den bisherigen Standpunkt der Berliner SPD fest, die sich die Forderungen der Airlines und der Flughafengesellschaft FBB zu eigen gemacht hat und keine Einschränkungen des Flugverkehrs während der Nacht bezogen auf den Planergänzungsbeschluss 2009 zulässt. Solidarisch ist die Koalitionsvereinbarung in diesem Punkt nicht. Die Unterzeichnenden fordern deshalb Sie, Frau Pop, und Herrn Lederer sowie die Berliner Landesverbände der Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf, gegenüber der Berliner SPD ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr ohne Wenn und Aber durchzusetzen und sich nicht mit Scheinlösungen zu begnügen. Die durch Unfähigkeit der Verantwortlichen explodierten und vervielfachten Baukosten können nicht unter Schädigung der Gesundheit der Lärmbetroffenen teilweise refinanziert werden.


Über die Einladung zu einem kurzfristig anberaumten Gespräch würden wir uns freuen.
Mit freundlichen Grüßen


Herbert Rinneberg 

BI Berlin-Südwest gegen Fluglärm (vormals Lichterfelde gegen Fluglärm)
 

gez. Bernd Röstel 
BI Lichtenrade/Mahlow-Nord gegen Fluglärm e.V.
 
gez. Corinna Ludwig 

Friedrichshagener Bürgerinitiative, Bürgerverein Friedrichshagen e.V.
 
gez. Walfried Michaelis 

Bürgerverein Wilhelmshagen-Rahnsdorf e.V.
 
gez. Markus Sprißler 

Aktionsbündnis für ein lebenswertes Berlin-Brandenburg (ABB)
 
gez. Christine Dorn 

Bürgerverein Brandenburg-Berlin e.V. (BVBB)
 
gez. Mario Hausmann 

Bündnis Südost gegen Fluglärm (BüSo)
 
gez. Antje Aurich-Haider 

BI Teltow gegen Fluglärm e.V.
 
gez. Bernd Reimers 

BI Kleinmachnow gegen Flugrouten e.V.
 
gez. Roland Skalla 

Stahnsdorf
 
gez. Heidrun Ische 

BI Unser Großbeeren e.V.
 
gez. Norbert Gustmann 

BI Müggelheim e.V.
 
gez. André Organiska 

BI Gosener Wiesen
 
gez. Sigrid Zentgraf-Gerlach 

BI Mahlower Schriftstellerviertel e.V.
 
gez. Eckhard Bock 

Verein zur Förderung der Umweltverträglichkeit des Verkehrs (VUV)
 

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