Als einziger Verantwortlicher der Führungsriege des Flughafen BER Schönefeld fand Mathias Platzeck (SPD) den Weg in das Studio von Günther Jauch. Vorsitzender Wowereit, Bundesminister Ramsauer, Geschäftsführer Schwarz und Staatssekretär Bomba "sind untergetaucht", so Jauch. "Soviel ausgeschalteter Handys und abwimmelnde Büros hatten wir noch nicht so oft" ergänzte er. Die Sendung des Abends beschäftigte sich im Schöneberger Gasometer mit dem desaströsen Zuständen auf der Baustelle BER in Schönefeld und dessen permanente Eröffnungsversuche.
Es geht anders
Das in Deutschland offensichtlich die Politik zu oft in derartige Projekte eingreift führt zu den aktuellen Situationen. Sachlich und völlig ruhig erläuterte Klaus Grewe, Projektleiter der Bauten zu den Londoner Olympischen Spielen 2012, wie es geht. "Transparenz ist wichtig, in London sind alle Vorgänge der Planung im Internet einsehbar gewesen. Positive wie negative Ereignisse". Bei jedem der 14.000 Projektabschnitte wurden Gelder für Verzögerungen und Reparaturen einkalkuliert und von der Politik abgefordert. "Dies ist am sichersten und führt zu informierten Aufsichtsräten, die das Geld verwalten". So kam es, dass der Londoner Kostenrahmen gar um 1 Milliarde Pfund unterschritten worden ist. Der entsprechende Anreiz war da und die Bauleiter vor Ort hatten alle Eventualitäten bereits im Vorfeld auf dem Schirm. "Die aktuelle Bestandsaufnahme wird mindestens ein Jahr benötigen" fuhr der Experte fort.
"Das Blaue vom Himmel erzählt"
Ganz anders am BER. Hier "hat Geschäftsführer Schwarz den Leuten erzählt, im Himmel sei Jahrmarkt" sagte Renate Künast (Bündnis90/Die Grünen). Sie sagte "300 Änderungen während der Bauarbeiten wie zum Beispiel Verschiebungen von Fluggastbrücken sorgten für den Mehraufwand". Der Aufsichtsrat hatte im Mai 2012 zur vorletzten Verschiebung das gesamte Planungsbüro Gerkan rausgeworfen. Im Schlepptau sind sämtliche Planer mit ihren Laptops nach Hause gegangen. Der Rauswurf ist derzeit bei Gericht anhängig. Laut Bericht des Spiegel wird Gerkan eine "massive groß angelegte Täuschung" beim BER nachweisen. Auch Platzeck fühlt sich hintergangen. So haben man sich im Aufsichtsrat "getäuscht und schlecht informiert geführt" sagte er in der Sendung. "Zur Zeit werden Haftungsforderungen gegen Geschäftsführung und Aufsichtsrat geprüft", erklärte er weiter. In Bezug zur Vergangenheit kritisierte er das seit zwei Jahren andauernde "schlechte Klima" im Aufsichtsrat. Dennoch ist er bereit, am Mittwoch für den Posten des Vorsitzenden im Aufsichtsrat zu kandidieren. "Für die Zukunft werde man umstrukturieren und suche nun einen neuen Mann an der Planungsspitze, dem weitere zwei Vorstände unterstellt werden". Jauchs Erwähnung, dass der dritte Eigner des Flughafens, nämlich der Bund vertreten durch Verkehrsminister Ramsauer, bisher seine Hände in Unschuld wäscht, führte bei Platzeck zu grinsender Mimik.
Das hat Methode
Hugo Müller-Voog, politischer Journalist in Berlin, erläuterte das Zustandekommen derartiger Finanzdebakel. "Zunächst wird knapp kalkuliert, dann ausgeschrieben und im anschließenden Prozess der Nachträge und Änderungen das Geld verdient." Grund dafür sei "zu Anfang die Bürger durch künstlich niedrig gehaltene Kosten zu beruhigen".
Politikerkalkül an der Tagesordnung
"Wir sind für den Flughafen und er muss endlich fertig werden" bekräftige Renate Künast. Die Standortenscheidung spielt für die meisten Politiker keine Rolle mehr. Das Konzept des Single-Airports in Schönefeld mit Schließung von Tegel und Tempelhof sei entschieden. Wie sich Ihre Partei allerdings verhalten hätte, wenn sie aktuell in der Regierung wäre, ließ sie offen. Müller-Voog beschrieb den absurden Zustand der einerseits stattgefunden Zustimmung der CDU-Berlin gegenüber Wowereit und dagegen die Ablehnung der Unterstützung für Platzeck durch die Brandenburger Christdemokraten. "Das sei reines Politikerkalkül und keine Sachpolitik", sagte Müller-Voog.
Baustellenarchäologie
Das die vormals eigens engagierte Controllingfirma die eingebauten fatalen Mängel wie etwa 60 Kilometer unisolierter Kühlleitungen in bereits geschlossenen Decken oder "bisher ohne einen erkennbaren Grund" falsch verlegten Rohre der Betankungsanlagen unter dem Rollfeld, nicht verhindert hat, lies Platzeck ratlos. "Es gab bereits vor der Verschiebung vor einem Jahr großes Misstrauen auf der Baustelle" sagte er. Renate Künast bezweifelte die Unwissenheit des Ministerpräsidenten Platzeck. "Nun muss mit Baustellenarchäologie und Ausgrabungen mühsam der aktuelle Stand ermittelt werden" entgegnete sie. Mathias Platzeck gab erneut vor, jetzt aber endlich korrekt handeln zu wollen, ohne jedoch auf die Frage, wer denn Schuld sei konkret zu antworten. "Es ist nicht nur jemand allein" sagte er. Anschließend erläuterte er erst einmal die in seiner bisher über 20jährigen Amtszeit erreichten Erfolge. Man sei "zuletzt Wachstumsmäßig an der Spitze in der Republik gewesen", bekräftigte er.
Teilabrisse führen zu Existenzproblemen
Das hilft den drei anwesenden Vertretern der Geschädigten dieser Baukatastrophe wenig. Der Busunternehmer Schulze, dessen eigens erworbenen Fahrzeuge nun verlustbringend verkauft werden. Beatrice Posch, Inhaberin eines Spielzeuggeschäftes im neuen Terminal, die ihren Laden aufgrund des Abrisses ihres Bereiches wieder komplett leer räumen und alle Installationen entfernen lassen muss und Jessica Buschmann, deren Metallfirma als Subunternehmer kein Geld mehr bekam, 17 Leute entlassen und selbst in Insolvenz gehen musste. Da sorgten die anstehende Millionenhohe Abfindung des Geschäftsführers Schwarz tränen in die Augen der Geschädigten. Laut Busunternehmer hätte man mit ihm "nette Gespräche" geführt, Hilfe seien jedoch nie angekommen. "Das sind personalrechtliche Aspekte, ich kann mich dazu nicht äußern", sagte Platzeck zum Wunsch Jauchs, Geschäftsführer Schwarz zu einem Verzicht auf Abfindung zu bewegen. "Mit dem Geld hätte ich meine Firma und 17 Arbeitsplätze erhalten können" entgegnete Jessica Buschmann.
Ausblick
Leider kamen die aktuell tagtäglich auflaufenden Kosten des Baustopps in der Sendung nicht zur Sprache. Rund 50 Millionen Euro werden jeden Monat auf nicht absehbarer Zeit fällig. Zudem drohen unkalkulierbare Schadenersatzforderungen von Bahn und Fluggesellschaften. Bezahlen werden es die Steuerzahler. Nicht nur in Brandenburg und Berlin.
André Organiska
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