„Sammelsurium“ eine Bestandsaufnahme

Wenn man denn unterwegs ist, um Stimmen zu sammeln für das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot, dann sollte man zuallererst einmal so richtig gut drauf sein. Es heißt, jeden Mitbürger ansprechen, egal wie sympathisch oder vergnatzt er rüber kommt. „Darf ich um Ihre Stimme für das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot am BER bitten?". Schon nach diesem Satz entscheidet sich, wie die nächsten zwei Minuten deiner Lebenszeit weiter gehen:

- Der absolute Glücksfall:
„Ach wie schön, dass Sie hier stehen, da muss ich nicht ins Rathaus gehen, um zu unterschreiben“, das passiert zum Glück bei jedem Sammeltörn mehrmals. Oder, noch besser: „Ich habe nur auf Sie gewartet, um Ihnen meine gesammelten Stimmen abzugeben. Dem Bezirksamt traue ich nicht, da weiß ich nicht, ob die Stimmen nicht verschwinden“. Das passiert einem nur einmal, oder am letzten Tag dann sogar doch noch mehrmals.


- Der Überzeugte:
„Aber natürlich, es trifft mich zwar jetzt noch nicht, aber auch wir werden den Lärm spüren, ist ja jetzt schon lauter geworden.“




- Der Solidarische:
„Ich bin zwar nicht betroffen, aber ich gebe Ihnen meine Stimme“. „Mein Sohn/Onkel, Tante…. wohnt da, das ist ja furchtbar“. „Ich habe in Tegel gewohnt, ich weiß, was Fluglärm bedeutet“. Ganz einfach, der unterschreibt.


- Der Zeitungsleser oder Medieninformierte:
„Na aber natürlich, das ganze Pack da oben muss weg.“ „Der Flughafen gehört da gar nicht hin.“ „Das ist doch alles nur Betrug.“ Wieder ein Glücksfall, hoffentlich kommen noch mehr mit dieser Überzeugung.


- Der/ Die Nette:
„Ich bin noch nicht so ganz überzeugt, aber Sie sind mir so sympathisch, darum unterschreibe ich.“ Tut gut!


- Der kritische Moment:
„Also ich weiß noch gar nicht, um was es da so genau geht“. „Ich fliege gerne“. „Ich will nachts fliegen“. Jetzt ist Überzeugungsarbeit angesagt, gute Argumente fallen einem mit der Zeit von selbst ein und ob dein Gegenüber nun unterschreibt oder nicht, hängt von deinen Argumenten ab.


- Der Weggucker:
Das ist der Mitbürger, der ganz bewusst in die andere Richtung guckt, weil er glaubt, du siehst ihn dann nicht und vorbei läuft. Den solltest du laufen lassen, denn der Vogel Strauß hat bekanntermaßen ein sehr kleines Gehirn und kann nicht schreiben.


- Der Diskutierer:
Grundsätzlich will er unterschreiben, aber vorher mit dir noch die Probleme dieser Welt diskutieren. Reden lassen, Brett und Stift hinhalten und über die Schulter in den Redepausen, weitere Passanten ansprechen. Irgendwann findet er ein weiteres Opfer bei deinen Mitsammlern und du bist ihn erst mal los und kannst weitere Stimmen einbunkern.


- Pech:
„Sie bekommen meine Stimme, ich wohne in Frankfurt und bin selber betroffen“.
Zählt nicht, leider! Alle weiteren Fälle sind nur lächelnd zu ignorieren, wegdrehen, den nächsten ansprechen: „Ganz bestimmt nicht“! Klare Ansage! „Wir sind Hauptstadt“! Hat er im Detail Recht, seine Unterschrift kriegste nicht, weil Diskutieren viel zu lange dauert. „Ihr spinnt doch!“ und weitere positive Aussagen. Zum Glück kommt dann aber auch immer im Anschluss ein nettes Leut und baut dich wieder auf, indem es sich bei dir dafür bedankt, dass du da stehst und deine Zeit opferst. Ich opfere zwar nicht, tut aber gut. Warten lohnt nicht – oder doch „Ich hab jetzt grad gar keine Zeit“. Kommt wieder oder auch nicht. „Nette“ ältere oder auch junge Frauen gehen vier Schritte weiter bis sie in Sicherheit sind und drehen sich dann kurz um, posaunen eine Gemeinheit heraus so wie „Die sind die ersten, die dann am Schalter stehen“ oder „Und nächste Woche sitzen die im Flieger nach Rhodos“. Wenn du sie dann suchst, um dir das versprochene Ticket abzuholen, findest du sie garantiert nicht mehr. Aber auch: „Früher waren wir als Kinder dankbar, wenn die Rosinenbomber gekommen sind.“ Wenn du dann antwortest, dass die Flieger heute keine Süßigkeiten mehr abwerfen und die Kinder heute bestimmt nicht dankbar sind, darüber dass sie nicht mehr schlafen und im Freien spielen können, bekommst du zur Antwort „Dann sollten sie das mal wieder lernen – dankbar sein“. Darauf muss man nicht mehr antworten!


- „Nette“ ältere Männer:
Bauen sich vor dir auf und erklären dir, wie sie das ganze sehen. Tegel und Hauptstadt, und wir brauchen die Nachtflüge und die Wirtschaft und hören gar nicht mehr auf zu reden, lassen dich garantiert nicht zu Wort kommen und wenn du nicht weggegangen wärst, würden sie noch heute reden. Wenn sie dir erklären, dass alle BIs nur von Maklern gesteuert sind, die nach der Wende billig Land aufgekauft haben und jetzt um ihre Pfründe fürchten und du sie auslachst und ihnen erklärst, dass du so einen Schwachsinn ja noch nie gehört hast, ziehen sie beleidigt ab – endlich.


- Die ganz Gemeinen:
„Ich wohne in Tegel und hab das lange genug ertragen müssen, jetzt kann der Süden endlich mal verlärmt werden.“
Wenn du dann sagst, dass das aber sehr unsozial sei und die Tegeler sich mit uns solidarisieren und wir ihre Petition gegen nächtlichen Fluglärm in Tegel unterschrieben haben, verschwindet das hämische Grinsen ganz plötzlich, und du erkennst so einen Anflug von Scham über den von Wowereit vorgeplapperten Schwachsinn.


- Noch ein ganz Gemeiner:
will dich von der Straße vertreiben, weil du geschäftsschädigend bist. Rücken zudrehen und weiter sammeln – du erzählst hinterher allen Leuten, dass sie bei dem nicht kaufen dürfen, weil er ein A…loch ist.


- Der Verständlose:
Meist Ausländer, ist fassungslos darüber, dass du nicht Geld sammelst, sondern nur Unterschriften.


Hab ich jemanden vergessen?
Die Liste ist sicher endlos erweiterbar.
Wir sehen uns beim Sammeln in Brandenburg!!!
 

Dolina von Raedern
4.10.2012

1 Kommentar:

  1. Sigrid Zentgraf-Gerlach8. Oktober 2012 um 20:08

    Der aggressive Optimist:

    Obwohl Frau von Rädern so ziemlich alle Typen erfasst und beschrieben hat, fehlt noch der unverbesserliche Optimist, den es agressiv macht, dass jemand mit der schlechten Nachricht auf der Straße steht und Sie so anmeckert: "Was soll ich? Gegen Nachtflug unterschreiben? Lesen Sie denn gar keine Zeitung? Gibt`s doch nicht! Stellt sich hier auf die Strraße und hat keine Ahnung! Dieser Flughafen wird doch gar nicht mehr eröffnet werden. Der bleibt auf ewig eine Ruine. Informieren Sie sich gefälligst, bevor Sie politisch aktiv werden! Ich brauche da doch nicht mehr zu unterschreiben! Gehen Sie nach Hause und kochen Sie sich einen Kaffee!"

    Mit freundlichen Grüßen aus Mahlow!

    Sigrid Zentgraf-Gerlach, BI Mahlower Schriftstellerviertel


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