Offener Brief an Karsten Mühlenfeld, Vorsitzender der Geschäftsführung Flughafen Berlin Brandenburg GmbH - Erwiderung auf sein Interview im Tagespiegel am 6.5.15
Ihr Interview im Tagesspiegel vom 06.05.2015
Sehr geehrter Herr Dr. Mühlenfeld,traditionell werden demjenigen 100 Tage Schonfrist zugestanden, der sich in einer neuen beruflichen Situation einarbeiten muss. Da Sie nun selbst nach etwa der Hälfte dieser Zeit in einem Interview mit dem Tagesspiegel am 06.05.2015 Ihre Auffassung zum BER öffentlich gemacht haben, sehen wir uns veranlasst, Ihnen ebenso frühzeitig die notwendige Erwiderung zu übermitteln.
Wir halten es für geboten, Ihnen darzulegen, an welcher Messlatte wir Ihre Leistung als Flughafenchef bewerten werden.
Die Zeit der juristischen Winkelzüge und Verfahrenstricks ist vorbei
Wer einen Terminplan für die Eröffnung des BER aufstellt oder umsetzt, hat darin die bauliche Fertigstellung des geschuldeten Schallschutzes nachzuweisen. Schließlich belastet der BER die Anwohner künftig „bis an die Grenze des rechtlich Hinnehmbaren“ (Bundesverwaltungsgericht). Bisher existiert der angeblich „weltbeste Schallschutz“ (Hartmut Mehdorn) nur auf dem Papier und dient nicht den Anwohnern, sondern nur der juristischen Legitimation eines ungeeigneten Flughafenstandortes.
Die Flughafengesellschaft steht tief in der Schuld der Anwohner, denn man hat über Jahre die vorgegebenen Schallschutzanforderungen „systematisch verfehlt“ (Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg). Die aktuelle Nutzung der neuen Südbahn ohne nennenswerte bauliche Fertigstellung der notwendigen Schallschutzmaßnahmen ist eine nahtlose Fortsetzung dieser Unternehmenskultur, die von Missachtung und Abwehr berechtigter Ansprüche geprägt wird. Weil dies bereits zeitlich in Ihre Zuständigkeit fällt, werten wir es als schlechtes Omen. Es ist die persönliche Verantwortung des Flughafenchefs, dafür Sorge zu tragen, dass der Gesundheitsschutz durch die tatsächliche Fertigstellung aller geschuldeten Schallschutzmaßnahmen vor Eröffnung des BER erfolgt.
Wegen der Verfehlungen in der Vergangenheit und als Zeichen der Wiedergutmachung gegenüber den Betroffenen ist es erforderlich, dass die Flughafengesellschaft freiwillig mit ebenso hohen personellen und finanziellen Aufwand wie bei der Terminalfertigstellung auch die bauliche Umsetzung jeder einzelnen Schallschutzmaßnahme bis zum Schluss betreut. An diesem Maßstab werden wir Sie messen.
Der falsche Flughafenstandort des BER in Schönefeld macht dauerhafte Betriebs- und Kapazitätseinschränkungen notwendig
Die Fluglärmkommission hat es beschlossen, das Umweltbundesamt hat es ebenso wie der Deutsche Ärztetag gefordert und die Bürger der Region haben es mit ca. 250.000 Unterschriften unterstützt: das Nachtflugverbot von 22-6 Uhr am stadtnahen Flughafen BER.
Wie kann es da sein, dass Sie als Flughafenchef in diesem Zusammenhang die Gewinnorientierung noch immer über den Gesundheitsschutz stellen: „Wenn wir bestimmte Randzeiten nicht brauchen, dann könnte ich mir vorstellen, dass wir uns freiwillig einschränken. Allerdings nur bis auf Widerruf und nur dann, wenn das für den Flughafen ökonomisch wäre, sonst nicht. Unser oberstes Ziel bleibt es, die Gewinne zu maximieren...“ (Mühlenfeld, Tagesspiegel vom 06.05.2015)?
Sie wollen auf Kosten der Gesundheit von Anwohnern Geld verdienen? Das Bundesverwaltungsgericht hat dies juristisch billigen müssen, weil der Gesetzgeber es nicht anders geregelt hat. Eine bedingte Ruhezeit von 0 bis 5 Uhr bleibt trotzdem moralisch verwerflich. Entgegen der bisherigen Annahmen im Fluglärmschutzgesetz ist ein kausaler Zusammenhang zwischen nächtlichem Fluglärm und gesundheitlichen Risiken längst nachgewiesen und veröffentlicht. Wozu also entwickelt man in der Flughafengesellschaft den Ehrgeiz, den BER gegen die gesundheitlichen Grundbedürfnisse der Anwohner betreiben zu wollen? Dem BER werden von der Bundesebene sowieso nur die Kapazitäten zugestanden, die bei den Flughäfen in Frankfurt und München keine Einbußen hervorrufen. Das sind vorrangig Zubringerdienste zu eben diesen Drehkreuzen und zusätzlich Billigfluglinien, die Berlin und Brandenburg als Quell- oder Zielgebiet nutzen. Alle anderen Pläne, wie z.B. ein eigenes Drehkreuz für Asienflüge in Konkurrenz zu anderen Flughäfen aufbauen zu wollen oder Westpolen als Quell- und Zielgebiet zu erschließen, wurden durch die politisch absichtsvolle Standortwahl bereits im Keim erstickt („Geburtsfehler des BER“, Regierender Bürgermeister Müller, 2015). Nun auf Drängen der regionalen Politik in Berlin und Brandenburg doch alle Fesseln am Standort Schönefeld lösen zu wollen, widerspricht dem Geist der Planfeststellung (Flughafen für den Luftverkehrsbedarf der Region Berlin Brandenburg als Ersatz für die Flughäfen Tempelhof und Tegel). Der Flughafenchef ist persönlich dafür verantwortlich, dass am Standort Schönefeld keine Luftverkehrsinfrastruktur aufgebaut wird, die nicht in Berlin und Brandenburg ihr Quell- oder Zielgebiet hat. An diesem Maßstab werden wir Sie messen.
Alles, was mittlerweile als ökonomisch notwendig oder auch künftig wünschenswert an den BER herangetragen wird, hätte man an einem anderen, geeigneteren Flughafenstandort von Anfang an haben können. Das war das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens, das ist das Ergebnis einer von Bürgerinitiativen vorgelegten Nachnutzungskonzeption („Zentralflughafen für Deutschland“). Es war und ist alles bekannt, es gibt keine neuen Erkenntnisse. Mehr Umsatz, mehr Arbeitsplätze und weniger Gefahr für den sozialen Frieden und die Lebensqualität der Bürger in der Region gibt es nur mit einem entwicklungsfähigen BER, der nicht am Standort Schönefeld steht. Man hat sich bisher bewusst anders entschieden. Das müssen die Bürger dulden, solange ein strikt regional ausgerichteter BER als reiner Tempelhof- und Tegel-Ersatz zu ertragen ist. Das haben aber auch die Flughafenverantwortlichen zu dulden, die sich mit einem nicht drehkreuzfähigen, betriebs- und kapazitätseingeschränkten regionalen BER zufrieden geben müssen.
Wer davon abweicht, erzwingt rund um Schönefeld eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Bürgern. Ein wachsender BER-Betrieb am Standort Schönefeld, insbesondere als Konkurrenzinfrastruktur zu internationalen Großflughäfen, gefährdet wegen der dauerhaften Konflikt- und Protestsituation all das, wofür er eigentlich geschaffen werden soll. Wer einen solchen BER sät, wird märkischen Sand im Getriebe ernten.
Um Schaden von der Region abzuwenden, stehen wir für einen konstruktiven Dialog über die tatsächlichen Optionen der Luftverkehrswirtschaft in der Region Berlin Brandenburg jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
im Namen des Sprecherrates der FBI
Dr. Helmut Jahne | Ralf Müller | Joachim Quast
Berlin, 11.5.2015
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